Inga tanzt durch OldenburgEin Spitzen-Abend beim Ballett im Staatstheatervon Inga Wolter
Mit viel Respekt radele ich zum Staatstheater, steige die Treppe zum Probenzentrum hinauf. Aus einigen Räumen tönt Gesang. Wie wird es sein, wenn eine blutige Anfängerin auf einen Vollblut-Tänzer, einen ausgezeichneten Künstler, trifft?
Die Menschen kommen gerne ins Theater, um sich den Tanz anzuschauen, sagt er. Sie seien sehr treu. Da sei es schön, etwas zurückzugeben. Auch gibt ihm der Kontakt zu den Frauen viel: „Die Arbeit in der Kompanie ist irgendwann immer ein Job.“ Denn eine Produktion muss schließlich zu einem gesetzten Zeitpunkt fertig sein. „Die Tänzerinnen hier kommen freiwillig. Das gibt mir Freiheit", sagt Antoine. "Erleichterung."
Die Frauen tragen Socken oder Balletschuhe, Leggings, manche haben Röckchen an. Alle sehen super sportlich aus. "You are beautiful!", wird Antoine ihnen immer wieder zurufen.
„Trocken“, also ohne Musik, erklärt Antoine uns die ersten Bewegungen in einer sympathischen Mischung aus Englisch und französischen Ballettausdrücken. Die anderen machen sofort mit, ich versuche es. Klaviermusik tönt aus der Ecke des Raumes. Ein Tanztraining mit Live-Musik, das hatte ich noch nie! „Umdrehen“, raunt eine Mittänzerin mir zu – nicht zum letzten Mal. Dauernd blicke ich in die falsche Richtung, wenn eine neue Übung losgeht. Aber die anderen Frauen sind sehr hilfsbereit und geben mir einige Tipps – zum Beispiel, dass ich mich immer zur Stange drehen soll und nie von ihr weg.
Viele Bewegungen, die bei meinen Mittänzerinnen elegant und formvollendet aussehen, kann ich nur andeuten. Besonders schwierig ist eine Übung, bei der man den Fuß in kurzen, schnellen Bewegungen am Bein entlangführt. Aber das Tanzen bringt dennoch ungeheure Freude, weil es den Körper herausfordert, an seine Grenzen bringt. Auch an die Grenzen der Beweglichkeit. Die anderen sind so verdammt gelenkig!
Die bekanntesten Ballett-PositionenVon Pliés und Pirouetten
Erste Position: Die Füße stehen nebeneinander, die Fersen berühren sich.
Zweite Position: Die Füße stehen in Hüftbreite nebeneinander.
Insgesamt gibt es fünf Fußpositionen. Weitere Bewegungen sind der Pas de Bourrée (Schritt mit Standbeinwechsel), Plié (Kniebeuge), Pirouette (Drehung auf einem Bein), Passé (Fuß liegt am Knie des Standbeins), Arabesque (Pose, bei der ein Bein gestreckt nach hinten gehoben wird).
Für Alexandra bedeutet die "Arbeit mit dem Körper" außerdem Inspiration, auch für ihren kreativen Job. Sie ist Goldschmiedin und Malerin, hat für Antoines Produktion „Men and Women“ das Bühnenbild kreiert. „Beim Tanzen lebe ich im Moment, ich bin im Flow.“ Sie und Mila, die mit drei Jahren mit dem Tanzen angefangen hat, „pushen“ sich beim Ballett gegenseitig.
Aber ich habe noch ein anderes Problem. Ich habe die falschen „Schuhe“ an: schwarze Turnschläppchen mit Plastiksohle. Zu allem Übel quietschen die auch noch, wenn sie über den Boden gleiten. „Hast du keine Socken dabei?“, fragt eine Tänzerin. Ich schüttele mit dem Kopf. Also darf ich mir ihre feinen, beigefarbenen Socken ausleihen. „Pass nur bei den Pirouetten auf!“, warnt sie. „Nicht, dass du ausrutscht!“ Pirouetten? Schon wenn ich das Wort höre, bekomme ich weiche Knie.
Jetzt kommen die angekündigten Pirouetten, die berühmten Drehungen um die eigene Achse. Ich passe. Die Angst, mich auf die Klappe zu legen und vor allen zu blamieren, ist doch zu groß. Bisher habe ich diese Bewegungen nur im Film oder im Theater aus der Ferne gesehen. Dort wirkten sie leicht und mühelos. Aus der Nähe sehe ich, wie viel Anspannung es kostet, um elegant und kraftvoll auszusehen. „Muskeln anspannen!“, sagt Antoine. „Muskeln sind alles.“ Gebannt schaue ich zu und mache mir fast blind Notizen, weil ich den Blick nicht von den Tänzerinnen wenden will.
„Ich träume noch davon, Tänzerin zu werden“, sagt Julia. „Aber dann hätte ich jetzt schon mal einen Job haben müssen.“ Das Unterrichten macht ihr aber auch viel Spaß. Ihre Schwester absolviert in Brasilien auch die Ausbildung zur Bühnentänzerin. Als sie mal in Oldenburg war, begleitete sie Julia zum Training mit Antoine. „Es ist toll, dass wir die Möglichkeit haben, auf diesem hohen Niveau zu trainieren.“
Verzaubert fahre ich nach Hause. Meine erste Ballettstunde war wunderschön, egal ob als Mittänzerin oder Zuschauerin. Den ersten Teil kann man auch als Anfängerin mitmachen, dann setzt man sich eben an den Rand und schaut zu - eine bessere Unterhaltung kann es an einem gewöhnlichen Donnerstagabend nun wirklich nicht geben.
Fotos und Video: Oliver Perkuhn
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Aber welchen Tanz lernen wir bloß? Es gibt ja so viele. Die Lösung lag auf der Hand: Ich tanze mich einmal quer durch Oldenburg – und dann entscheiden wir. Beziehungsweise ich. Denn das letzte Wort liegt bei mir, wie mir der Freund großzügigerweise versicherte. Bis ich den perfekten Kurs für uns gefunden habe, teste ich also verschiedene Stile und erzähle hier von meiner tänzerischen Reise durch die Stadt.
Sie tanzen? Und wollen Inga Wolter von Ihrem Hobby überzeugen? Dann melden Sie sich unter inga.wolter@nwzmedien.de.
Bis zum nächsten Tanz!
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