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Irish Dance in Oldenburg: Auf Spitzen zur Lady of Irish Dance

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Alexandra Weber krempelt ihre Hose hoch. „Hier fass mal an!“, sagt sie und deutet auf ihre Waden. Ich lange zu – hart wie Stahl, das muss ich zugeben. „Wow!“, rufe ich. Gegen diese strammen Exemplare sind meine Beine Pudding. So fühlt's sich also an, wenn man 13 Jahre Irish Dance macht.

Aufwärmen ist verdammt wichtig, denn es wird anstrengend. Das ist schon jetzt klar. Wir dehnen uns, lockern uns und hopsen mit Irish-Dance-Lehrer Mathias Weber durch den Saal der Oldenburger Kulturetage. Als Anfängerin trage ich noch keine Steppschuhe, sondern weiße Ballettschläppchen mit Rauledersohle – zum Üben sind die wunderbar. Und die ersten Irish-Dance-Schritte erinnern überhaupt stark an Ballett.
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Unsere Ausgangsposition: Der linke Fuß steht leicht schräg, den rechten setzen wir quer mit der Hacke davor. Wir lassen die Fußspitze nach vorne gleiten und stellen uns auf den Ballen. Schon das ist eine Herausforderung für mich. Es fühlt sich zunächst so an, als müsste ich Hüfte und Beine verdrehen oder verbiegen. Na ja, lange habe ich nicht Zeit, um darüber nachzugrübeln.

Wir lernen, nach vorne und zurück zu tänzeln, mal auf dem Ballen stehend, mal in die Ausgangsposition zurückkommend. Die Füße wechseln sich ab. In Windeseile. Fließend. Und mit Haltung. Ich habe einen langen Arbeitstag hinter mir und meine Konzentration liegt eigentlich schon jetzt am Boden. Mir schwant, dass es heute noch sehr, sehr anstrengend wird. Aber je weniger ich nachdenke, desto besser gelingt es.
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Mathias (54) ist mit meinen Anfänger-Schritten zufrieden: „Ist ja erst die erste Stunde!“ Nur meine Haltung lässt doch sehr zu wünschen übrig. „Kerzengerade stehen!“, erinnert er mich. „So als würde ein Faden dich am Kopf hochziehen. Und Schultern und Hüfte zeigen nach vorne.“ Die machen bei mir nämlich immer, was sie wollen. Im Gegensatz zu Mathias und den beiden anderen Tänzerinnen stehe ich immer wieder schräg statt parallel zum Spiegel, so als hätte ich Schlagseite.
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„Schuld war River Dance“, erzählt Mathias. Mitten in der Nacht hatte er die Show im Fernsehen gesehen. „Mir standen die Nackenhaare zu Berge. Ich musste das einfach lernen.“ Doch zunächst musste er einen Lehrer finden. Die waren damals dünn gesät in Deutschland. 2000 nahm er schließlich an einem Irish-Dance-Workshop teil. Bereits 2002 meldete er sich zu einer Ausbildung zum "Instructor for Irish Dance" an. Ein Jahr lang lernte er, dann kam ein Vertreter der Irish National Folk Company und prüfte ihn und die anderen Auszubildenden ein ganzes Wochenende lang auf Herz und Nieren. Er bestand.
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„Das habe ich nur geschafft, weil ich damals ein eigenes Zimmer  zum Tanzen hatte“, sagt Mathias. Drei Zimmer hatten seine Wohnung in Bremen, 105 Quadratmeter insgesamt, 22 davon waren allein zum Tanzen. „In den Raum legte ich einen Schwingboden und brachte eine Ballettstange und einen Spiegel an. Sonst war darin nur ich, wenn ich tanzte.“ Der Schwingboden war nötig, damit Mathias die vielen Sprünge üben konnte, ohne die Gelenke zu sehr zu belasten. „Auf Betonboden geht das nicht.“ Jedenfalls nicht lange.
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Auch wir lernen jede Menge Sprünge, zur Seite und im Kreis. Meine versprühen aber nicht so viel Schwung, wie sie sollten. „Richtig hoch springen!“, ruft Mathias mir zu. „Höher!“ Aber ich muss mich so sehr auf die Technik konzentrieren, dass es mir schwer fällt, mehr Energie in den Ausdruck zu legen.

Die Arme halten wir seitlich, eng am Körper, die Hände sind zu Fäusten geschlossen. Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger und kleiner Finger liegen lose über dem Daumen. „Aus Sicherheitsgründen verstecken wir die Hände“, erklärt Alexandra (42). Ansonsten könne es passieren, dass man mit den Schuhen an die Finger stoße - was extrem schmerzhaft sein kann. Dass die Arme kaum zum Einsatz kommen, hat auch einen religiösen Hintergrund: „Es gehörte sich nicht, sie wild herumzuschmeißen", sagt Alexandra.

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Nur selten nehmen Irish Dancer die Arme dazu. Wir üben Side Steps, springen zur Seite und werfen das angewinkelte Bein mit dem Knie voran nach oben. Wichtig ist, den Fuß wie beim Ballett zu strecken. Sonst gehen Anmut und Grazie flöten.

Wir kreuzen ein paar Schritte nach rechts und zurück nach links. Dabei starten wir wieder mit einem Sprung, werfen das Bein diesmal aber nach hinten - reine Koordinationssache. Schon diese kleine Folge ist eine Riesenherausforderung. Es ist so verdammt schwer, auf Schritte und Haltung gleichzeitig zu achten! Stoppen wir nach ein paar Schritten, strecken wir uns bewusst nach oben, um den Schwung aufzufangen und sicher zu landen. So, als würden wir an einem Faden hinaufgezogen.
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Reise zurück ins 18. Jahrhundert: Damals tingelten die Dance Masters, wandernde Tanzlehrer, von Dorf zu Dorf. Sie brachten der irischen Landbevölkerung das Tanzen bei. Für Solotänze nahmen sie manchmal die Türen aus den Angeln, um darauf tanzen zu können. Das Niveau der Tänze war damals schon sehr hoch. Auf Marktplätzen kam es zu Wettstreiten zwischen den Dance Masters, die alle ihren eigenen Bezirk hatten.

Die Gründung der "Gaelic League" 1893 führte zu einem Wiedererwachen der irischen Kultur. In dieser Zeit wurde der Begriff des "Céili" geprägt - ursprünglich ein Zusammentreffen von Nachbarn, um lustig zu musizieren und zu tanzen. Noch heute kommen viele Iren im Pub zu Céili-Abenden zusammen. Der moderne irische Steptanz, wie man ihn aus "Riverdance" oder "Lord of the Dance" kennt, geht jedoch auf den Solotanz "Sean-nós" aus Connemara und Munster zurück.



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Sassina Maria Reiners macht Irish Dance seit ihrem zehnten Lebensjahr. „Das ist ein so kraftvoller Tanz“, sagt die 25-jährige Studentin. „Er ist der ausdrucksstarke Feinschliff von vielem anderen. Und ich liebe die irische Musik!“ Das Schwierigste war für sie am Anfang, die Balance zu halten. Viel Beinkraft war nötig. Mittlerweile hat sie aber Beine, um die sie manch ein Fußballer beneiden würde, zumindest wenn sie die Muskeln anspannt. Bereits als Jugendliche trat sie in der Region bei Shows auf und nahm an Wettkämpfen wie auch den Deutschen Meisterschaften teil. „Tanzen ist und war schon immer mein Leben“, sagt sie. „Wenn ich Ärger oder Frust habe, kann ich den beim Irish Dance so richtig schön rauslassen.“
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Auftritt der Riverdance-Truppe in Dublin
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Riverdance perform at Dublin Concert for Queen Elizabeth II 19th May 2011

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Alexandra begann vor 13 Jahren mit dem Irish Dance. Da gab Mathias für einen Oldenburger Verein eine Vertretungsstunde. Er steppte  sich in ihr Herz: „Ich fand es so toll, dass ein Mann tanzt!“, schwärmt Alexandra, noch heute schwer beeindruckt. „In der Tanzstunde funkte es sofort“, erzählt auch Mathias. Wenige Monate später meldete Alexandra sich zu einem Kurs bei ihm an, nur weitere wenige Monate später waren die beiden ein Paar. Nun sind sie seit fünf Jahren verheiratet.
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Zusammen reisen Alexandra und Mathias immer wieder nach Irland, um in der National Folk Company in Dublin neue Schrittfolgen zu lernen. Mittlerweile hat die Irish Dance School Bremen/Oldenburg rund zehn Tänze, die sie aufführen kann. Bei allem Ehrgeiz steht der Spaß im Vordergrund. „An anderen Schulen ist der Wettbewerb um die besten Steps schon sehr groß“, sagt Alexandra. „Bei uns ist eine gute Gruppendynamik wichtiger.“ Manchmal dauere es, bis ein Schritt sitzt. Es könne frustrierend sein, man müsse sich dann Zeit lassen. „Aber, dass es so streng ist und die Schritte so klar vorgegeben sind, ist meine persönliche Herausforderung.“
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Die traditionellen Volkstänze werden in Irland immer noch "gelebt", wie Alexandra Weber erzählt. "Es gibt dort viele Schulen und neben den großen ,Riverdance' und ,Lord of the Dance' viele kleinere Shows, die durchs Land tingeln." Und bei den Céili-Abenden in den Dörfern tanzen auch Oma und Opa noch mit. Das weiß Alexandra von ihren vielen Irland-Touren: Selbst ihre Hochzeitsreise ging damals auf die grüne Insel.


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Manchmal sieht es beim Üben schon ganz schön verbissen aus, vor allem bei mir Grünschnabel. Das ist kein Tanz, bei dem man Fehler leicht kaschieren oder durch strahlendes Lächeln überspielen kann. Der Weg bis zur Perfektion, bis zum "Lord" oder bis zur "Lady of the Dance", ist lang. Aber wenn die Schritte sitzen, entfaltet der Tanz eine bombastische Wirkung.
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Irish Dance als Massenevent: 1693 Menschen tanzten sich im Juli 2013 in einer langen Reihe ins Guiness-Buch der Rekorde.
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Riverdance Longest Line World Record 21st July 2013

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Mathias bescheinigt mir ein gewisses Talent. „Man merkt, wie du alles in dir aufsaugst!“ Aber wird meine Disziplin reichen, um all die schwierigen Schritte zu lernen? Ich bin mir nicht sicher. Auch das hohe Tempo lässt mich zeitweise ehrfürchtig erstarren, obwohl wir uns zu künstlich verlangsamter Musik bewegen. Es macht viel Spaß und kleine Erfolgserlebnisse vergolden mir die anstrengende Stunde. Aber bei Irish Dance habe ich - als eher gemütliche Tänzerin, die fehlendes Können mit Charme überspielt - meinen Platz im Publikum. Die Suche geht also weiter. Allerdings: Wie sich mein tanzwütiger Freund beim Irish Dance schlägt, hätte ich schon gerne mal gesehen.

Fotos und Video: Christian Ahlers

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Ich habe einen überaus tanzwütigen Freund. Bei jeder guten Gelegenheit – Disco, Stadtfest, Grünkohltour – schleudert er mich so wild über die Tanzfläche, dass mir nach spätestens zwei Runden schwindelig ist. Ohne Gnade! Dieser Freund fragte mich also, ob wir nicht mal einen Tanzkurs zusammen machen wollen. Ja klar! Warum nicht? Selbst bei unserem gekonnten Freestyle ist noch Luft nach oben.

Aber welchen Tanz lernen wir bloß? Es gibt ja so viele. Die Lösung lag auf der Hand: Ich tanze mich einmal quer durch Oldenburg – und dann entscheiden wir. Beziehungsweise ich. Denn das letzte Wort liegt bei mir, wie mir der Freund großzügigerweise versicherte. Bis ich den perfekten Kurs für uns gefunden habe, teste ich also verschiedene Stile und erzähle hier von meiner tänzerischen Reise durch die Stadt.


Sie tanzen? Und wollen Inga Wolter von Ihrem Hobby überzeugen? Dann melden Sie sich unter inga.wolter@nwzmedien.de.
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