Inga tanzt durch OldenburgAuf Spitzen zur Lady of Irish Dancevon Inga Wolter
Aufwärmen ist verdammt wichtig, denn es wird anstrengend. Das ist schon jetzt klar. Wir dehnen uns, lockern uns und hopsen mit Irish-Dance-Lehrer Mathias Weber durch den Saal der Oldenburger Kulturetage. Als Anfängerin trage ich noch keine Steppschuhe, sondern weiße Ballettschläppchen mit Rauledersohle – zum Üben sind die wunderbar. Und die ersten Irish-Dance-Schritte erinnern überhaupt stark an Ballett.
Wir lernen, nach vorne und zurück zu tänzeln, mal auf dem Ballen stehend, mal in die Ausgangsposition zurückkommend. Die Füße wechseln sich ab. In Windeseile. Fließend. Und mit Haltung. Ich habe einen langen Arbeitstag hinter mir und meine Konzentration liegt eigentlich schon jetzt am Boden. Mir schwant, dass es heute noch sehr, sehr anstrengend wird. Aber je weniger ich nachdenke, desto besser gelingt es.
„Das habe ich nur geschafft, weil ich damals ein eigenes Zimmer zum Tanzen hatte“, sagt Mathias. Drei Zimmer hatten seine Wohnung in Bremen, 105 Quadratmeter insgesamt, 22 davon waren allein zum Tanzen. „In den Raum legte ich einen Schwingboden und brachte eine Ballettstange und einen Spiegel an. Sonst war darin nur ich, wenn ich tanzte.“ Der Schwingboden war nötig, damit Mathias die vielen Sprünge üben konnte, ohne die Gelenke zu sehr zu belasten. „Auf Betonboden geht das nicht.“ Jedenfalls nicht lange.
Die Arme halten wir seitlich, eng am Körper, die Hände sind zu Fäusten geschlossen. Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger und kleiner Finger liegen lose über dem Daumen. „Aus Sicherheitsgründen verstecken wir die Hände“, erklärt Alexandra (42). Ansonsten könne es passieren, dass man mit den Schuhen an die Finger stoße - was extrem schmerzhaft sein kann. Dass die Arme kaum zum Einsatz kommen, hat auch einen religiösen Hintergrund: „Es gehörte sich nicht, sie wild herumzuschmeißen", sagt Alexandra.
Wir kreuzen ein paar Schritte nach rechts und zurück nach links. Dabei starten wir wieder mit einem Sprung, werfen das Bein diesmal aber nach hinten - reine Koordinationssache. Schon diese kleine Folge ist eine Riesenherausforderung. Es ist so verdammt schwer, auf Schritte und Haltung gleichzeitig zu achten! Stoppen wir nach ein paar Schritten, strecken wir uns bewusst nach oben, um den Schwung aufzufangen und sicher zu landen. So, als würden wir an einem Faden hinaufgezogen.
Zur Geschichte des Irish DanceAls die Türen aus den Angeln genommen wurden
Die Gründung der "Gaelic League" 1893 führte zu einem Wiedererwachen der irischen Kultur. In dieser Zeit wurde der Begriff des "Céili" geprägt - ursprünglich ein Zusammentreffen von Nachbarn, um lustig zu musizieren und zu tanzen. Noch heute kommen viele Iren im Pub zu Céili-Abenden zusammen. Der moderne irische Steptanz, wie man ihn aus "Riverdance" oder "Lord of the Dance" kennt, geht jedoch auf den Solotanz "Sean-nós" aus Connemara und Munster zurück.
Zusammen reisen Alexandra und Mathias immer wieder nach Irland, um in der National Folk Company in Dublin neue Schrittfolgen zu lernen. Mittlerweile hat die Irish Dance School Bremen/Oldenburg rund zehn Tänze, die sie aufführen kann. Bei allem Ehrgeiz steht der Spaß im Vordergrund. „An anderen Schulen ist der Wettbewerb um die besten Steps schon sehr groß“, sagt Alexandra. „Bei uns ist eine gute Gruppendynamik wichtiger.“ Manchmal dauere es, bis ein Schritt sitzt. Es könne frustrierend sein, man müsse sich dann Zeit lassen. „Aber, dass es so streng ist und die Schritte so klar vorgegeben sind, ist meine persönliche Herausforderung.“
Die traditionellen Volkstänze werden in Irland immer noch "gelebt", wie Alexandra Weber erzählt. "Es gibt dort viele Schulen und neben den großen ,Riverdance' und ,Lord of the Dance' viele kleinere Shows, die durchs Land tingeln." Und bei den Céili-Abenden in den Dörfern tanzen auch Oma und Opa noch mit. Das weiß Alexandra von ihren vielen Irland-Touren: Selbst ihre Hochzeitsreise ging damals auf die grüne Insel.
Mathias bescheinigt mir ein gewisses Talent. „Man merkt, wie du alles in dir aufsaugst!“ Aber wird meine Disziplin reichen, um all die schwierigen Schritte zu lernen? Ich bin mir nicht sicher. Auch das hohe Tempo lässt mich zeitweise ehrfürchtig erstarren, obwohl wir uns zu künstlich verlangsamter Musik bewegen. Es macht viel Spaß und kleine Erfolgserlebnisse vergolden mir die anstrengende Stunde. Aber bei Irish Dance habe ich - als eher gemütliche Tänzerin, die fehlendes Können mit Charme überspielt - meinen Platz im Publikum. Die Suche geht also weiter. Allerdings: Wie sich mein tanzwütiger Freund beim Irish Dance schlägt, hätte ich schon gerne mal gesehen.
Fotos und Video: Christian Ahlers
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Aber welchen Tanz lernen wir bloß? Es gibt ja so viele. Die Lösung lag auf der Hand: Ich tanze mich einmal quer durch Oldenburg – und dann entscheiden wir. Beziehungsweise ich. Denn das letzte Wort liegt bei mir, wie mir der Freund großzügigerweise versicherte. Bis ich den perfekten Kurs für uns gefunden habe, teste ich also verschiedene Stile und erzähle hier von meiner tänzerischen Reise durch die Stadt.
Sie tanzen? Und wollen Inga Wolter von Ihrem Hobby überzeugen? Dann melden Sie sich unter inga.wolter@nwzmedien.de.
Bis zum nächsten Tanz!
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