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So geht Oldenburg auf amerikanisch

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Schöne Architektur, nette Menschen und ein bisschen Bayern: Oldenburg in Indiana überrascht. Mit Freudenfest, Sauerkraut und deutschem Bier.
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Vor dem "Brau Haus" schunkeln rote Geranien im Wind. Naive bajuwarische Malerei ziert die Tür. Die Figuren heißen „ein Langermann", „ein Dickefrau“ und „ein Schnickelfritz“. Es duftet es nach Hausmannskost. Oldenburg klingt nicht nur deutsch, es riecht auch so.

Ein alter Mann steht auf der Türschwelle und guckt skeptisch. „Sieht nach Regen aus.“ Er vergräbt die Hände in den Taschen seiner Jeans und geht.

Drinnen geht es bodenständig zu. Am Tresen dreht sich das Gespräch um das anstehende Blaubeerfest im Nachbardorf. Derweil läuft im Fernseher „Last Man Standing“, ein Actionfilm mit Bruce Willis.
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Auf der Speisekarte findet sich  unter „Lieblingsgerichte”: Der „Oldenburger” für 7,99 Dollar und Sauerkraut mit Bratwurst für 5,99 Dollar.

Als die Kellnerin serviert, wird deutlich: Das hier ist Indiana und nicht Niedersachsen. Zwei Toastscheiben, dazwischen ein Nest aus Sauerkraut und die Bratwurst, der Länge nach halbiert. Ein Sauerkraut-Bratwurst-Sandwich - da muss man erst mal drauf kommen. Schmeckt aber hervorragend.
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Zurück auf der Straße, fällt der Blick auf den alten Wasserturm. Ein tulpenförmiges Gebilde aus Metall, das Reisenden im Mittleren Westen Oldenburg als  „Village of Spires“, also „Dorf der Turmspitzen“, anpreist. Und der Ort hält, was er verspricht...
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Kirche und Kloster sind üppigst mit Türmen und Türmchen besetzt. Und manch ein Norddeutscher bekäme beim Anblick der vielen Backsteingebäude Heimatgefühle...
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...würden nicht zwischen Oldenburg und Oldenburg rund 6800 Kilometer Luftlinie liegen.


















Grafik: Ricarda Pinzke
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Die Straßenschilder sind deutsch und englisch beschriftet: Die Main Street wird zur Hauptstraße, aus der Pigtail Alley wird so die „Schweineschwanz Gasse".
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Ein Maibaum reckt sich aus einer akkurat gemähten Senke empor. Er leuchtet feuerwehrrot und maisgelb in die hügelige Kulisse. Davor spannt sich eine schwarze Eisenbrücke über ein Flüsschen.

Der Maibaum ist der ganze Stolz von Ladenbesitzer Jeff Paul. Er gehört zu den Organisatoren des alljährlichen Volksfestes, das Freudenfest heißt. Drei Tage lang wird alljährlich im Juli mit tausenden Besuchern gefeiert. „Und der Erlös fließt ins Dorf“, sagt Jeff. „Zuletzt konnten wir den Maibaum anschaffen.“
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Oldenburg, das sind 674 Einwohner, 171 davon Nonnen. Das sind eine Tankstelle, die Bier im 30er-Gebinde anbietet, die „Johanniter Halle" und ein Stadtwappen in Gelb-rot. Das sind rote Geranien, gefegte Bürgersteige und frisch gestrichene Hausfassaden.
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Der „Perlenstrasse Pub“ in der rot gepflasterten “Pearl Street” vereint all das. Dort arbeiten Kat Bryan (37) und Shan Gardener (35). In ihren blauen T-Shirts mit dem Aufdruck „Prost“ servieren sie Schnitzelsalat oder Brezeln mit Käse. Beides kostet weniger als zehn Dollar. Dazu gibt’s deutsche Deko und Warsteiner vom Fass.

An der Theke sitzt Seth Shields (38), den sie hier Bürgermeister nennen, weil sein Haus auf einem Hügel über dem Dorf thront. Sechs Jahre hat er in Stuttgart verbracht, beim Militär. „Ich liebe Deutschland“, verkündet er. Ein paar Kraftausdrücke sind hängengeblieben, ebenso seine Vorliebe für deutsches Essen. Radler und gemischten Salat vermisst er am meisten. Wer je Coleslaw gegessen hat - diesen Krautsalat, ertränkt in schwerer Sauce und in den USA als Beilage beliebt - kann vielleicht verstehen, warum.

Grünkohl hat er damals auch probiert. Ob er ihm geschmeckt hat? Für ein „Nein” ist er wohl zu höflich. Stattdessen lenkt er das Gespräch auf eine andere Delikatesse, die er nur aus Deutschland kennt. „Wisst ihr, was wirklich gut ist?“, fragt er in die Runde an der Theke: „Weiße Spargelsuppe“.
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In der Eingangshalle des Klosters ist es kühl und still. Schwester Joan Laughlin sitzt auf einem alten Holzstuhl. Sie ist eine der gut 170 Nonnen im Dorf. Die Franziskanerin beantwortet Fragen und bittet Besucher, sich ins Gästebuch einzutragen.

Laughlin trägt eine rosafarbene Bluse und eine dunkelbraune Hose. „Wir haben uns dazu entschieden, keinen Habit zu tragen”, erklärt sie. „Wir wollen damit zeigen, dass wir nicht außerhalb der Gesellschaft stehen und erst recht nichts Besseres sind.“ Die 83-Jährige ist den Sisters of St. Francis 1959 beigetreten.

Ihr Weg hat sie nicht nur nach Oldenburg, sondern auch nach Papua Neuginea geführt. „Dort gab es Gegenden, in denen Menschen noch nie eine weiße Frau gesehen hatten.“ Viele der Schwestern, erklärt sie, arbeiten als Lehrerinnen oder verbringen ein paar Jahre im Ausland.
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Zumindest war es früher so, heute ist ein Großteil der Gemeinschaft im Ruhestand. Viele packen trotzdem beim Freudenfest mit an. „Die älteste Schwester hier ist 101 Jahre alt, die jüngste 60“, sagt Laughlin.
Um die Frauen zu versorgen, bietet das Kloster neben einem Altenheim auch eine Pflegestation. Doch es fehlt der Nachwuchs. „Junge Frauen entscheiden sich heute nicht mehr für ein religiöses Leben.“
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Durch die Perlenstraße rollt ein grauer Geländewagen. Dort, wo bei deutschen Autos vorn das Kennzeichen befestigt ist, leuchtet eine schwarz-rot-goldene Flagge samt Bundesadler.

Das Fahrzeug parkt neben einem Laden, dessen Name so manchem US-Amerikaner den Aussprache-Schweiß auf die Stirn treiben dürfte: „Die goldene Schildkröte Handelszentrum”. Aus dem Auto steigen Erin Wamsley und ihre Söhne Oren (8) und Griffin (15).
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Die große blonde Frau mit dem Zopf ist die Besitzerin der „Schildkröte”, die in einem der ältesten säkularen Gebäude der Stadt untergebracht ist. „Früher war das der ‘General Store’”, erklärt sie. Heute werden dort Blusen, Dirndln, Filzhüte, Krachlederne und Accessoires verkauft.
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Auf alten Postfächern stehen Holztafeln, die Aussprüche wie „Trinken wir noch Eins” oder „Prost” zieren.
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Erin ist stolz darauf, durch ihr Geschäft etwas zum „German Heritage”, zum deutschen Erbe des Dorfes, beitragen zu können. Fotografieren lassen möchte sie sich nicht so gern, stattdessen posieren die Jungs.

Am besten läuft das Geschäft vor dem Freudenfest. „Als ich angefangen habe, trugen nur eine Handvoll Leute Trachten”, erzählt Erin. „Heute fühlt man sich deplaziert, wenn man keine hat.” Deutschland gefällt ihr gut, sie denkt gern an ihre Austausch-Zeit zurück, die sie nach Marburg, Berlin und München geführt hat. „Dort habe ich mir wohl den Dirndl-Virus eingefangen.”
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Wer wirklich wissen will, was in Oldenburg abgeht, der muss in den „Kleinstadt-Laden“. Inhaber Jeff Paul ist so etwas wie der Ortsvorsteher und bietet in seinem „Grocery Store” all das, was es in amerikanischen Supermärkten so zu kaufen gibt.

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Aber eben auch typisch Deutsches: Mett- und Bratwurst zum Beispiel, fertig abgepackt, auch gemischt, und auf Deutsch ausdeklariert.
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Außerdem gehört Paul zum harten Kern, der das Freudenfest organisiert. Es ist der Höhepunkt des Jahres und spült Besuchermassen in das beschauliche Dorf. In diesem Jahr mit „Germania Jagdhorn Blasergruppe”, Dackelrennen sowie Auftritten der Donauschwaben-Tanzgruppe. Hartgesottene können sich im „Stein Holding ”, also Bierkrugstemmen, messen. Ein gutes Geschäft, nicht nur für die Hotels im nahegelegenen Batesville.


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Um die Besucherzahl zu bestimmen, hat Jeff Paul einen Trick: „Wir tippen, dass jeder Gast drei Bier trinkt“, sagt der 61-Jährige. „So sind wir zuletzt auf 12000 Besucher gekommen.” Die ganze Sause wird von Ehrenamtlichen gestemmt.

Jeff ist stolz auf seine deutschen Wurzeln, auch wenn die Ankunft seiner Vorfahren schon etwas zurückliegt. „Mein Urgroßvater wurde 1837 in New Orleans geboren.“ Er folgte dem Mississippi stromaufwärts, vom heißen Süden in den Norden. „So ist die Familie in Oldenburg gelandet”, erklärt er. Das Deutsche steckt in der Generation davor: „Sein Vater wurde in Deutschland geboren.“
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Brooke Tyree (30) und Maggie Nobbe (32) sind in Oldenburg, Indiana, aufgewachsen - und geblieben. Die beiden Mütter haben kinderfrei und genießen den heißen Tag. In kurzen Jeans und luftigen Tops sitzen sie auf der schattigen Veranda eines weiß gestrichenen Hauses, das Maggie und ihr Mann gekauft haben. „Es ist günstig hier“, sagt Maggie, die in einer Seniorenresidenz im Nachbarort arbeitet. Die „Main Street”, die hier „Hauptstraße” heißt, haben die Frauen in ihren breiten, blauen Stühlen gut im Blick.
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Angesprochen auf die Sehenswürdigkeiten, legt Maggie den Kopf schief: „So richtig viel zu sehen gibt es hier nicht“, sagt sie fast entschuldigend und schüttelt ihre Getränkedose. Leer. Nachschub gibt es nebenan in der geräumigen Doppelgarage, ausgestattet mit Kühlschrank, Fahnen verschiedener Sportteams, Stehtisch, Barhockern und einem Poster von Grunge-Legende Eddie Vedder - Namensgeber von Töchterchen Edie. Richtig was los, sagt Maggie, die mit ein paar marineblauen Büchsen zurückkommt, sei nur zum Freudenfest.
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„Es ist“, räumt Brooke ein, „ein deutsches Fest, aber in einer etwas kitschigen, amerikanisierten Variante“. Hat sie denn einen Vergleich? Kopfschütteln. In Europa waren beide noch nicht. „Aber bevor uns Ignoranz vorgeworfen wird“, sagt Maggie, „weil wir Amerikaner uns nur für uns selbst interessieren: Wir würden gern reisen, auch nach Europa. Aber bei zehn Tagen Urlaub im Jahr ist das schwierig.“
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