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Ammerlandhospiz

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Ammerlandhospiz

Im Schatten der großen Ammerlandklinik in Westerstede steht ein Flachdachbau. Etwas zurückgelegen, versteckt hinter hohen Bäumen in einer Lichtung. Rote Holzfassade, graue Fenster, wunderschöner Garten. Es ist das Ammerland-Hospiz - nur einen Steinwurf von dem Ort entfernt, wo Leben entsteht und gerettet wird, dort, wo Patienten Hoffnung auf Heilung haben. Hoffnung auf Heilung? Das gibt es im Hospiz nicht.

Diese Hoffnung legen die Bewohner spätestens hinter der Türschwelle ab. Sie wissen, dass sie bald sterben werden. In den nächsten Stunden, den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten. Das Ende kommt. Unweigerlich. Sonst wären sie nicht hier. Ein unerträglicher Gedanke. Für die Betroffenen ebenso wie für die Angehörigen und Freunde.
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Aber sich still seinem Schicksal ergeben und auf den Tod warten? Nein, das lässt das Team vom Ammerland-Hospiz nicht zu. Nicht ohne Grund gilt in der Einrichtung der Leitspruch von Cicely Saunders: „Du zählst, weil du bist. Und du wirst bis zum letzten Augenblicke Deines Lebens eine Bedeutung haben.“ Die Bewohner sollen es hier halt schön haben, sagt Hospizleiterin Kea Bünnemeyer. Gemeinsam mit 17 weiteren hauptamtlichen Mitarbeitern kümmert sie sich genau darum. Rund um die Uhr. Acht Zimmer gibt es. Lange unbelegt ist ein Zimmer nie. „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Wir möchten dafür sorgen, dass sich die Bewohner hier geborgen fühlen“, sagt Bünnemeyer.

Sie weiß sehr wohl, dass alle, die zu ihr kommen, schon einen langen Leidensweg hinter sich haben. Und die Verlegung in ein Hospiz ist ein großer Schritt ist. „Es ist ihre letzte Station. Da haben sie natürlich Angst“, sagt die Einrichtungsleiterin. Auch wenn die Krankheit nicht heilbar sei, so wolle man zumindest die Lebensqualität verbessern. Und den Angehörigen möchte man Entlastung bringen, damit sie sich nicht um die Pflege des geliebten Menschen kümmern müssen, sondern sich einzig und allein auf das Wesentliche konzentrieren können. Damit es gelingt, den sterbenskranken Menschen eine Herberge, ein zweites Zuhause zu geben, kann Bünnemeyer auf ein treues Team von ehrenamtlichen Helfern bauen.
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Es ist Sonntagmorgen. Aus der Küche schallt ein lautes Lachen. Man hört einen gut gelaunten Mann mit einem unverkennbar holländischen Akzent. Es ist Robby Cauwels. Der 50-jährige Friesoyther ist gerade dabei, für die Bewohner und die Mitarbeiter Rührei mit Speck zu machen. Wie jeden Sonntag. Das hat schon Tradition. Cauwels ist einer von 29 ehrenamtlichen Mitarbeitern im Hospiz, die vielfältige Aufgaben in der Einrichtung übernehmen. Einige sind im Trauercafé aktiv, andere unterstützen bei der Öffentlichkeitsarbeit, andere wiederum gehören zum Besuchsdienst und wieder andere machen eben jeden Sonntagmorgen Rührei mit Speck für die Bewohner.

Der Friesoyther macht aber natürlich noch viel mehr als nur ein deftiges Frühstück. Er verbringt viel Zeit mit den Bewohnern. Lacht mit ihnen, weint mit ihnen, redet mit ihnen über Fußball und die Welt, lenkt sie von ihrem Schicksal ab, redet aber auch mit ihnen über ihr Schicksal. Er ist einfach da, wenn ein Mensch einfach da sein muss. Und er macht es gerne: „Es ist eine sehr schöne Arbeit. Und wenn man es schafft, einem Bewohner ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, dann ist das der größte Lohn.“
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Kea Bünnemeyer bezeichnet Ehrenamtliche wie Robby Cauwels gerne als „gute Seelen“ der Einrichtung. „Das größte, was sie uns schenken, ist ihre Zeit“, freut sich Bünnemeyer. Auf dem Bild sind neben Robby Cauwels (von links) die Pflegekräfte Bianca Strohbehn, Marta Labiak, Sarah Grube und Kea Bünnemeyer zu sehen.
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Und der Robby Cauwels nimmt sich die Zeit. Unter der Woche ist er beruflich zeitlich stark eingeschränkt, doch dafür ist er jeden Sonntag pünktlich ab 8 Uhr zur Stelle. Wie lange? „Das ist immer unterschiedlich. Ich bleibe so lange, wie ich gebraucht werde“, sagt er. Auf die Uhr schaue er nie, denn er möchte bei den Bewohnern kein Gefühl der Hektik aufkommen lassen. Seit vier Jahren ist der Friesoyther jetzt schon ehrenamtlich aktiv. Der Grund, wie er zu dieser Aufgabe gekommen ist, ist ein trauriger. Vor vier Jahren starb sein bester Freund Wolfgang Niehaus an Krebs. Die letzten drei Monate seines Lebens verbrachte er im Ammerland-Hospiz.

Robby Cauwels weilte jedes Wochenende am Bett seines Freundes, übernachtete auch mal dort. Daraus entstand nicht nur eine noch tiefere Bindung zu seinem Freund, sondern auch eine besondere Bindung zum Hospiz. Einige Zeit nach dem Tod des Freundes fragte Bünnemeyer den Friesoyther, ob er sich vorstellen könne, sich hier einzubringen. Schließlich sei vor allem die offene und humorvolle Art des Holländers für die Einrichtung sehr bereichernd und komme bei Bewohnern und Angehörigen gleichermaßen gut an. Lange überreden musste man ihn nicht. „Ich habe sofort zugesagt“, sagt Cauwels.
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Aber wie geht er damit um, dass er ständig mit sterbenden Menschen und traurigen Angehörigen zu tun hat? „Seit ich hier bin, sehe ich den Tod mit anderen Augen. Man erkennt, dass der Tod zum Leben gehört.“ Das Hospiz habe überhaupt nichts Abschreckendes. Im Gegenteil. „Es ist hell und freundlich. Die Bewohner und Angehörigen kommen hier zur Ruhe. Es darf natürlich auch gelacht und Musik gemacht werden.

Alles so, als wenn man zu Hause ist.“ Und er stellt klar: „Das hat hier überhaupt nichts damit zu tun, dass kranke Menschen abgeschoben werden. Hier wird dafür gesorgt, dass die Bewohner rund um die Uhr versorgt werden, die Angehörigen dadurch entlastet werden und alle somit mehr Zeit miteinander haben.“ Er könne zu solch einem Schritt nur raten.
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Das kann Martina Niehaus, die Ehefrau des verstorbenen Wolfgang Niehaus nur bestätigen: „Es war die beste Zeit unseres Lebens.“ Das klinge für Außenstehende im ersten Moment vielleicht etwas seltsam, aber sie habe mit ihrem Mann in seinen letzten Monaten im Hospiz eine sehr intensive Zeit erlebt mit vielen guten und auch witzigen Momenten.

„Zuhause hätten wir das so nie hinbekommen“, ist sie überzeugt. Hier sei immer einer für die beiden da gewesen und sie hätten ihrem Mann jeden Wunsch erfüllt. So habe das Paar die Chance gehabt, jede mögliche Minute gemeinsam zu verbringen und zu genießen.
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Dabei sei es am Anfang sehr schlimm für sie gewesen, erinnert sich Martina Niehaus noch gut an den Tag des Einzugs. Obwohl sich alle sofort rührend um ihren Mann gekümmert hätten und sie selbst auch toll aufgenommen worden sei, habe sich in ihr etwas gegen das Hospiz gesperrt. „Alles war fremd und ich habe mich nicht darauf eingelassen. Doch nach kurzer Zeit hat sich das gelegt - und irgendwann gehörst du einfach dazu“, sagt die Friesoytherin. Sie sei sehr froh, den Schritt ins Hospiz gemacht zu haben. Und sie ist allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern des Ammerlandhospiz dankbar für die - trotz der traurigen Umstände - schöne Zeit, die sie dort mit ihrem Mann verbringen durfte.
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Die Hoffnung zu verlieren, ist schlimm. Dem Tod direkt in die Augen schauen zu müssen, noch viel schlimmer. Aber zu wissen, dass es in den schwersten Stunden des Lebens Menschen gibt, die einen begleiten, trösten, auf das Unausweichliche vorbereiten, vom Leid aber auch ablenken können, Spaß machen oder einfach nur die Hand halten und einen schweigend in den Arm nehmen, ist ein schöner, tröstender Gedanke – für die Person, die bald gehen wird, und für diejenigen, die hier auf Erden bleiben.
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Das Ammerlandhospiz wurde im November 2010 im Schatten der Ammerlandklinik in Westerstede eröffnet. Träger ist die Gemeinnützige Ammerland-Hospiz GmbH. Diese setzt sich aus dem Verein Hospizdienst Ammerland und der Ammerland-Klinik GmbH zusammen. Finanziert wird die Einrichtung mit acht Betten zu 95 Prozent durch die Krankenkassen. Die restlichen fünf Prozent müssen durch Spenden aufgebracht werden. Dazu ist auch ein Spendenkonto eingerichtet. Genauso wichtig wie Spenden ist die Unterstützung durch Ehrenamtliche. Wer sich engagieren möchte, kann sich direkt an die Einrichtung wenden.
Mehr Informationen gibt es unter: www.ammerland-hospiz.de
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