Im, auf und unter Wasser
von Marc GeschonkeTiefe Wasser sind stillDie Technische Gruppe der Polizei Niedersachsen
Besondere Lagen erfordern besondere Fähigkeiten.
Die Technische Einsatzeinheit der Polizei Niedersachsen - kurz: TEE - ist landesweit zur Stelle, wenn es knifflig wird.
Die Ohren lesen mit.
Herzlichen Dank und viel Vergnügen beim Abtauchen!
7.30 Uhr. Hallenbad Eversten.
Luxus ist das gewiss nicht, auch kein entspannter Spaß am Morgen. Das hier - all das Kraulen, das Tauchen, das Pumpen - ist Arbeit. Und gleichsam Trainingszeit für die Polizeitaucher der sogenannten Technischen Einsatzeinheit Niedersachsen (kurz: TEE).
Immer im Dienst.
Ihr Einzugsbereich ist immens, bis nach Hamburg oder Meppen kann's da schon mal gehen - dann aber natürlich auf Landwegen.
Das Gros dieser vielköpfigen Truppe ist mindestens 30 Jahre alt, viele deutlich darüber. Mittelfristig dürfte es eine ordentliche Fluktuation geben, heißt es. Freiwillig geht aber niemand. "Nein, hier kann man alt werden", sagt da Eberhard Teuteberg.
Immer im Rhythmus.
Hier - wie auch außerhalb, in Seen und fließenden Gewässern. Ganz egal, ob zugefroren oder nicht. Das setzt freilich besondere körperliche Fähigkeiten voraus - und ein unerschütterliches Vertrauen in Kollegen wie Ausrüstung.
Denn auch wenn "eigentlich nichts passieren kann", wie sie sich hier mantramäßig sagen, kann dann halt doch mal etwas passieren. Für Situationen wie diese gilt es, sich fit zu halten. Auch im Kopfe.
Viereinhalb Minuten.
"Zumindest konnte ich es mal", sagt er heute, "trotz der Zigaretten". Wie viele Minuten es jetzt noch sein mögen? Das weiß er nicht. "Man muss es halt regelmäßig trainieren." Der eigene Körper und auch der Taucharzt, den sie jährlich verpflichtend aufsuchen, sind da schließlich rigoros.
Jede Körperfunktion verbraucht Sauerstoff. Je ruhiger also der Taucher, desto länger kann er mit einem Atemzug unter Wasser bleiben. Dieses Wissen um die eigenen Fähigkeiten ist im Notfall überlebenswichtig. "Jeder muss die Sicherheit haben, so lange wie möglich die Luft anhalten zu können, bis das Problem gelöst ist", sagt er.
Draußen. Unten. Kalt.
Gleicher Tag, vier Stunden später und (nicht nur) gefühlte 20 Grad kälter. Am und im Baggersee Westerholt wird groß fürs Training aufgefahren. Extreme Gewichte und riesige Luftkissen werden ins Wasser eingebracht, reichlich Technik wie Zelte aufgebaut und jede Menge Kabel wie Schläuche verlegt. Dann geht's hinein und - je nach Aufgabenstellung wie erdachtem Szenario - auch hindurch. Viele Meter unterhalb der Welt da draußen.
Schön auf Zack.
Wer jünger als 29 Jahre ist, muss 5000 Meter in 25 Minuten laufen können, 20 Kilometer Radfahren in 41:45 Minuten und 1000 Meter locker in 25 Minuten schwimmen.
Über 40-Jährige (bis 44) sind mit 3000 Metern Lauf in 17:10 Minuten, 20 Kilometern Radeln in 47:45 Minuten und 800 Metern Schwimmen in 23:30 Minuten dabei.
Wer älter als 55 Jahre ist (bis 59), sollte den 3000 Meter Lauf in 19:20 Minuten bewältigen, die 20 Kilometer auf dem Rad in 53 Minuten überstehen und 400 Meter in 13 Minuten schwimmen können. Außerdem stehen da noch 7,5 Kilometer Walking/Nordic Walking in 61 Minuten auf dem Programm.
Der Ernstfall.
Wenn Strömung die meisten Spuren beseitigt hat, Wind und Wetter möglicherweise ihren Part sowie alle Hoffnung in Gänze erledigt haben, bleibt der Einsatzeinheit nur noch der Rückzug.
Oder ein weiterer Tauchgang am nächsten Tag.
Und dem übernächsten.
Und dem darauf folgenden.
Wasser nimmt, Wasser gibt.
Irgendwann.
Nur auftauchen.
"Wo sich nachher die Spreu vom Weizen trennt, ist die Frage, wie sich diese Leute in überraschenden Situationen wie eben dem Fund einer Leiche verhalten", sagt er, "da brauchen wir Leute, die sich ihrer Fähigkeiten so sicher sind, dass sie das nicht aus der Bahn wirft."
Den potenziellen Kandidaten das Tauchen beizubringen, wenn sie denn dazu physisch überhaupt in der Lage sind, sei die geringste Herausforderung. Die größte aber ist allemal die mentale Komponente.
Alles auf einer Karte.
Die Einsätze im groben Überblick:
Schwarz: Suche nach vermisster Person
Gelb: Tatmittel wie Waffen oder gefährliche Gegenstände
Grün: Bergung von Fahrzeugen
Blau: Diebesgut und Beweismittel
Orange:Suche nach Kampfmitteln und Seeminen
Rot: Einsätze im Katastrophenfall und bei Hochwasser
Gold: Schiffsabsuche
Viel Bedarf, wenig Zeit.
Ob böse Buben oder Unglücke - so unterschiedlich die Meldelagen lauten, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen an die Einsatzkräfte.
Die Tauchergruppe hat den NWZ-Lesern einen Einblick in ihr privates Einsatzfotoalbum gewährt.
Zufallsfund.
Sieben Jahre lang hatte das einst gestohlene Auto also unentdeckt im Hafenbecken gelegen. Dann wurde es von den Einsatzkräften entdeckt und geborgen, später extern im Online-Auktionshaus Ebay unter den Stichworten "Sonderlackierung Muscheln und Rost" versteigert - für den guten Zweck. Ein Mann aus Wilhelmshaven hatte 1131 Euro für das Schrottstück geboten. Der Erlös ging an die Wilhelmshavener Tafel.
(Foto: Polizei)
Wenn's richtig dampft.
Tauchen war hier aus gesundheitlichen Gründen zwar nicht möglich (und wird aus eben diesen auch abgelehnt), aber immerhin konnten beziehungsweise mussten sich die Einsatzkräfte dort voran tasten.
Mit mehr oder minder großem Erfolg.
(Foto: Polizei)
Eiskaltes Vergnügen.
Bis es dazu kommen kann, ist allerdings viel Vorarbeit nötig: Mit einer Motorsäge muss ein Zugang ins Wasser geschaffen, eine Rettungsleine am Körper verankert werden. Erst dann, und unter Beobachtung, geht's hinab. Eine extreme körperliche Belastung wegen des 4 Grad kalten Wassers sei das nicht. Vielmehr Kopfsache.
Denn auch wenn ein Mensch von oben durch das Eis brechen könnte - von unten lasse sich die Schicht nicht zerdrücken. Für Otto-Normal-Badende ein Schreckensszenario. Polizeitaucher Hespe hingegen bleibt dort die Ruhe selbst. "Dafür habe ich Höhenangst", sagt er.
(Foto: Polizei)
Alte Werte.
Manchmal freuen sich die ursprünglichen Besitzer über die wiedergewonnenen Werte. Häufiger aber nicht. Dann nämlich, wenn diese schon lang aus den Augen wie aus dem Sinn verloren waren. Versicherungstechnisch bereits abgegolten wurden. Oder von Wasser, Schlamm und anderen Uannehmlichkeiten verunstaltet wie zerstört erscheinen.
Diebesgut und spannende Beweismittel in Strafsachen gehören zur Standardsuche der Tauchgruppe Oldenburg.
Freundliche Begleitung.
Da Kernkraftgegner dies immer wieder verhindern wollen, will die Tauchgruppe eben dieses Verhindern verhindern. Mit weitaus größerem Erfolg. Hier kommen dann auch ihre Boote zum Einsatz.
(Foto: Polizei)
Stets zu Diensten.
Die Männer der Technischen Einsatzeinheit verdingen sich in derartigen Szenarien von Piraterie oder Anschlägen gewissermaßen als Chauffeure.
(Foto: Polizei)
Da unten ganz oben.
Vor Hooksiel wurden also verschiedene Möglichkeiten gemeinsam mit der Hubschrauberstaffel durchgetestet, Blessuren ausgeklammert.
Immer wieder wurde der Anflug trainiert, Einsatzkräfte an einer Rettungsleine aufgenommen und gen Land gezogen oder in geringer Höhe über dem Meeresspiegel dorthin geflogen. Unter anderem. "Aber für jemanden, der am Ende seiner Kräfte ist, ist das wenig geeignet", heißt es hier, "und bewusstlose Menschen können so auch nicht aufgesammelt werden." Die direkte Rettung aus dem Wasser wurde nicht minder versucht. "Als die Kufen des Hubschraubers das Wasser berührten, war es brutal", so Carsten Hodes. "Eine absolute Notlösung." Aber Moment! In Kinofilmen ist das doch nie ein Problem...? "Ja, stimmt. Aber das sind auch amerikanische Schauspieler - die können so etwas. Wir ja nicht!", sagt Alexander Hespe ...
(Foto: Polizei)
Zu Lande
Gut gefrühstückt.
Offizielle Dienstzeit ist von 7 bis 15.30 Uhr. Einen Schichtdienst gibt es nicht - dafür aber einen "bedarfsorientierten Dienst". Sprich: Wenn ihre Expertise benötigt wird und ein Anruf aus Hannover auf dem Privattelefon eingeht, sind die Männer auch ohne offiziellen "Bereitschaftsdienst" tatsächlich bereit. "Die meisten stecken ihre Freizeit zurück", sagt Thomas Decker.
Immer weiter.
Bei etwaig aus Hannover eingeforderten Einsätzen kann die Truppe nahezu aus dem Vollen schöpfen: Fast alle können alles. Eingesetzt werden dann aber in der Hauptsache jene, die mit der vorhandenen Lage am vertrautesten sein mögen.
Ausgeräumt.
Ob sie die Aktivisten denn verstehen könnten? "Diese Frage stellt sich eigentlich nicht. Ich kann nachvollziehen, dass Menschen ihre Meinung vertreten", sagt Carsten Hodes, "aber nicht, wie sie es oft tun."
Auch eine Straßenblockade sei eine Form von Gewalt. "Der Spaß hört dort auf, wo die Demonstranten sich selbst oder andere gefährden", so Alexander Hespe.
(Foto: Polizei)
Ausgebuddelt.
Während die Einsatzkräfte also oberhalb Hand anlegten und die ausgehärtete Masse ausbuddelten, hatten die Demonstranten augenscheinlich ihren Spaß. Trotz der warnenden Hinweise auf mögliche Amputationen. Derartige Ignoranz sind die Männer der TEE aber leidlicher Weise gewohnt. "Wir hatten auch schon erlebt, wie Freunde zum Protest an aktive Bahngleise gekettet wurden - das geht gar nicht", sagen sie.
(Foto: Polizei)
Ausgesperrt.
Jedes einzelne ist bis zu 65 Kilogramm schwer und äußerst standfest; die Gitter werden miteinander verbunden und können dann kaum mehr umgeworfen werden.
Gerade vor der Wahl und angesichts der zweifelhaften Öffentlichkeit der AfD waren die Hamburger Gitter im Dauereinsatz. "Jede Woche hatten sie irgendwo mehrere Veranstaltungen an einem Tag", erinnert sich Eberhard Teuteberg, "und überall schrien sie nach unseren Gittern". Das kann schon mal an die Substanz gehen.
Ausgebrannt.
"Brandursachenermittlung" steht dann auf dem Dienstplan. Und das ist durchaus häufig der Fall. "Wir liefern Gutachtern nach einem Brand die Manpower und gleichermaßen Sicherheit auf schwierigem Terrain", so Alexander Hespe.
Abgebrannt.
Solch ein Probebrand kann gerade Auszubildenden früh die Angst vor dem Echt-Einsatz nehmen.
Ausgegraben.
Sie sollen auf diese Weise schneller eine Fährte unterhalb der Grasnarbe wittern und aufnehmen können.
Abgesichert.
Dies kann im Vorfeld einer entsprechenden Wegeführung allerdings auch mehrfach geschehen - je nach Bedarf und Zustand der Versiegelung.
Ausstaffiert.
Jedes Mitglied dieser Einheit hat eine entsprechende technische Grundausbildung absolviert, weiß also die großen wie kleinen Dreingaben des Landes bestens zu handhaben - sowohl in der Nutzung wie auch in der Wartung.
Denn alle Gerätschaften müssen nach einem Einsatz gesäubert, gepflegt und für den nächsten Termin - wann immer dieser auch anstehen mag - unbedingt perfekt vorbereitet sein.
Zusammengefasst.Die Technische Gruppe im Überblick
Regelmäßige Fortbildungen und Übungen sorgen für die ständige Einsatzbereitschaft im ganzen Land.
Sie werden zur Beweissuche und -sicherung zu Wasser wie zu Lande angefordert, helfen bei Hochwasserlagen, auch mal mit Lichtmasten und Fahrzeugen aus, und sind überdies beim Auf- wie Abbau von Absperrungen und Hindernissen oder der Deinstallation von Indoor-Plantagen gefordert.
Das Gros ihrer Einsätze bewältigen die Kräfte aber unterhalb des Wasserspiegels - bis zu 45 Mal pro Jahr.
Oldenburgs Technische GruppeEine Handbreit über Wasser.Wie diese Multimedia-Reportage entstand
In Zusammenarbeit mit (und dem Einverständnis) der Technischen Gruppe ist daraufhin diese Multimedia-Reportage entstanden. Auf, im, unter und über Wasser.
Deshalb: Vielen Dank an die Oldenburger Einsatzkräfte!
Multimedia-ReportageTiefe Wasser sind stillCredits
(sofern nicht anders gekennzeichnet):
Marc Geschonke
für die Lokalredaktion Oldenburg der Nordwest-Zeitung
In Zusammenarbeit mit der
Technischen Einsatzeinheit (TEE) der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD)
am Standort Oldenburg
Mai 2017
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