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Hoodlove

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Der eine wurde als Kind von zu Hause verstoßen und war auf sich allein gestellt.

Der andere flüchtete als Fünfjähriger mit seiner Familie aus dem Irak durch halb Europa.

Zusammen machen Oli und Schino seit sechs Jahren Musik und rappen auf ihrem ersten gemeinsamen Album, an dem sie gerade arbeiten, über Erlebtes, bisher Unausgesprochenes, aber vor allem über ihre „Hood“.

Das Kennedy-Viertel war lange Zeit für viele Oldenburger der „Angstort“ der Stadt. Für Oli und Schino ist es Schicksal – und Liebe.
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Die Sonne wirft ihre letzten Strahlen auf die Hochhäuser. Bäume rauschen leise im Wind. Vögel zwitschern.

Hier, wo man früher abends nicht allein durch die Häusergänge gehen, wo man aus dem Nichts überfallen und zusammengeschlagen werden konnte, sitzen heute Frauen und Kinder im Gras und picknicken.

Das Kennedy-Viertel ist längst nicht mehr der „Angstort“ der Oldenburger, der es mal war.

Sozialprojekte, eine Polizeistation und ein Nachbarschafts-Treff haben das Gesicht des Viertels verändert. Sein schlechter Ruf aber bleibt.  
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„Planlose Nächte auf der Suche nach meinem Schicksal“ aus „Verbrecher vor dem Herrn“

Als Schino mit seiner Familie aus dem Irak fliehen musste, war er fünf Jahre alt.

Verstanden hatte er das als Kind nicht, was der damalige Präsident Saddam Hussein gegen die Kurden hatte; warum er sie verfolgen, foltern und töten ließ.

Dass es aber nicht richtig sein konnte, dass sein Bruder geboren wurde, während draußen Schüsse fielen, das hatte er schon damals gewusst. Und nie vergessen.
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„Ich bin ständig unterwegs, mich brauch’ niemand zu retten“ aus „Hoodlove“


Seit sechs Jahren machen die beiden 20-Jährigen zusammen Musik, texten und vertonen ihre „Hood“, das Kennedy-Viertel.

Schino hat sich mittlerweile ein eigenes Tonstudio aufgebaut, in dem sie gerade an ihrem ersten gemeinsamen Album „Hoodlove“ basteln, und arbeitet als Friseur.

Oli macht eine Ausbildung zum Anlagemechaniker.

Früh aufstehen, lange arbeiten, geregeltes Leben.

Dass das bei beiden auch mal anders war, das eint sie. Das schweißt sie zusammen. „Oli rappt das, was ich sagen möchte“, sagt Schino. Oli nickt. Andersherum auch.

Große Worte brauchen sie nicht. Ihre Sprache ist direkt, ihre Botschaft deutlich. Es geht ihnen um Loyalität – zu ihrem Viertel, aber auch zu dem jeweils anderen.

„Unsere Musik besteht aus uns, aus unseren Gefühlen, aus das, was für uns der Sinn des Lebens ist“, sagt Schino.





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„Ich glaube nicht an Schicksal – alles hat einen Grund“      
aus „Hoodlove“



Als Oli die Verantwortung übernehmen musste, war er elf Jahre alt. Die kleine Schwester gerade geboren, der kleine Bruder noch nicht selbstständig, die Mutter allein. Einer muss ja Geld verdienen. „War schwierig“, sagt Oli knapp.

Mit 12, 13 Jahren hängt er mit 17-, 18-Jährigen ab; fängt an, Alkohol zu trinken und der Mutter zu entgleiten. Sie schmeißt ihn raus.

Er zieht zu seinem Vater, ist aber irgendwie auf sich allein gestellt. Drei Jahre lang. Damals bricht eine Welt für ihn zusammen. Kein richtiges Zuhause, keine richtigen Freunde, keine Zukunft.

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„Sag', wo führt dein Weg hin?“
aus „Trance des Asphalts“


Wir schlendern durch Olis und Schinos „Hood“, von der Florianstraße über den Osterkampsweg in die Kennedystraße, vorbei an dezent gestrichenen Häusern und jeder Menge Grün.

Alle paar Meter heben die Rapper ihren Arm oder rufen kurz auf die andere Straßenseite. Man kennt sich hier.  

Als wir in einen der Häusergänge abbiegen, unterbrechen die picknickenden Mütter ihr Gespräch und die Kinder ihr Fußball-Spiel.

Das Foto-Shooting bleibt nicht unbemerkt. Die ersten Kinder trauen sich ran, dann werden es immer mehr. Die einen assistieren dem Fotografen, die anderen wollen mit Schino und Oli rappen. Schino lacht und winkt ab; Oli zögert. Großer Fehler.

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„Das ist die Hoodlove, wenn wir in die Hood kommen“
aus Hoodlove


„Mach' ein Rap! Mach’ ein Rap!“ Die Kinder umzingeln Oli. Immer mehr Stimmen klingen sich ein, es wird laut und Oli immer leiser. „Ich musste mir erstmal was Kinderfreundliches überlegen“, sagt er später und grinst.

„Meine nächste Haltestelle ist der Weg zum Erfolg. Platin ist mir zu wertvoll, deshalb reicht mir das Gold, reich’ mir das Gold oder ich greif’ mir das Gold.“

Kinderaugen strahlen Oli an. In diesem Moment ist er für sie das Vorbild, das er selbst damals so gebraucht hätte.



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„Kein Geld auf dem Konto, sag’ mir geht es auch ohne?“
aus „Hoodlove“


„Irgendwann war ich emotional abgestumpft“, sagt Oli mit Blick auf seine Jugend. „Wenn Du von fünf, sechs Leuten überfallen und mit Gegenständen verletzt wirst – an was glaubst Du dann noch?“  

Als Schino den Weg zu Gott gefunden hatte, war auch der Weg zum Rap frei. Er fand plötzlich Worte für bisher Unausgesprochenes, fand den Rhythmus für sein Leben.

„Ich habe mit den Fingern immer und überall getrommelt – in der Schule, zu Hause – und habe damit jeden verrückt gemacht“, sagt Schino und lacht. „Und dann habe ich Oli kennengelernt.“ Oli nickt, das war Schicksal.  




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Zwei Rapper. Zwei Schicksale. Dieselben Gefühle. Und ein Stadtteil, der beide zusammengebracht hat und nun langsam seinen Weg ins neue Album findet.

„Wir lassen uns Zeit“, sagt Oli. Eine Produktionsfirma gibt es nicht und somit auch keine Deadline. Das wollten die beiden Rapper so. In Hetze arbeiten gehe gar nicht. „Das Album soll perfekt werden“, sagt Schino.

„Dazu brauchen wir keine Unterstützung, kein Geld. Wir brauchen einfach nur uns selbst, unseren Kopf und unsere Hood.“



Text/Produktion: Amina Linke
Bilder/Video: Oliver Perkuhn

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